Ein Gespräch über Rechte und Freiheiten

Als wir in Ohrid auf einer unserer Wanderungen durch den Galicica Nationalpark waren, trafen wir auf dem Rückweg einen Reisenden aus Russland. Er kam mit seinem Fahrrad von einer schlecht geschotterten Straße und hielt sofort an. Er fragte uns wo wir herkommen, wir sagten Deutschland und kamen sofort ins Gespräch. Wie lange bleibt ihr hier? Wo aus Deutschland kommt ihr her? Wie gefällt euch Nordmazedonien? 
Ohridsee
Blick auf den Ohridsee

Über die Politik in Deutschland und Russland

Nach einer halben Stunde kamen wir auf die Bundestagswahl und die politische Situation in Deutschland zu sprechen. Nach interessierten Nachfragen seinerseits pausierte das Gespräch. Dabei schwirrte mir eine Frage im Kopf, bei der ich mir für ein paar Sekunden überlegte, kannst du ihn das jetzt fragen. Ja klar, warum nicht.
 
Also fragte ich ihn wie er die politische Situation in Russland empfindet. Er lachte und fragte uns erstmal, was wir darüber wissen und aus den deutschen Medien erfahren haben. Ich fing bei Wahlmanipulation an und hörte beim Thema Nawalny auf. Er überlegte einen kurzen Moment und meinte: Ja, das stimmt alles. Und dann fiel der Satz, der mir aus irgendeinem Grund nicht mehr aus dem Kopf ging.
„The people in russia have no rights.“
Dieser Satz beschäftigt mich auch weiterhin. Ein Satz, bei dem vermutlich die Meisten sagen würden: Ja, das hab ich mir gedacht. Und ja, auch ich weiß (allerdings alles nur aus westlichen Medien), dass die politische Situation in Russland wenig mit Demokratie zu tun hat, Meinungsfreiheit nicht den größten Stellenwert besitzt und Rechte von Homosexuellen quasi nicht existieren. Aber das eine ist etwas aus den Medien zu hören und das andere von einem Bürger des jeweiligen Landes. Ein junger Mensch, der völlig nüchtern so einen Satz sagt. Einen Satz, der auf viel zu viele Länder dieser Welt zutrifft.

Die Selbstverständlichkeit von Freiheiten

Wir haben uns in Deutschland an ein Leben mit freier Meinungsäußerung, Selbstbestimmung und körperlicher Unversehrtheit gewöhnt.
Freiheiten, die selbstverständlich sein sollten und doch in so vielen Ländern bei weitem nicht der Fall sind. In solchen Gesprächen wird uns mal wieder bewusst, dass solche Freiheiten nicht selbstverständlich sind. Vielmehr sollten wir diese Rechte schützen und uns im Klaren darüber sein, dass es ein Privileg ist. Ein Privileg, dass wir oft für selbstverständlich halten und trotzdem, aber auch gerade deshalb stärker schützen und schätzen sollten. Denn ganz ehrlich, wer von uns kann sich noch ein Leben ohne Meinungsfreiheit vorstellen?

Und allgegenwärtig: Die Pandemie

Im weiteren Verlauf der Unterhaltung kamen wir dann auf das Thema Pandemie. Wir unterhielten uns über die Lage in beiden Ländern und er fragte uns: Warum gehen die Leute in Deutschland gegen Impfungen auf die Straße?
Während wir über eine Antwort nachdachten, hängte er einen Nachsatz an seine Frage.
„Naja, aber sie haben wenigstens das Recht dazu.“ (übersetzt)
Ein Recht, das viel zu häufig belächelt wird.
Ein Recht, das der ein oder andere für unnötig hält.
Wir können ja sowieso nichts ändern.
Wir sind ja abhängig von politischen Entscheidungen.
 

Das Recht, die eigene Stimme zu erheben

Jeder mag für sich entscheiden, wie er dazu steht, aber wie unser russischer Begleiter schon sagte: Wir haben die Möglichkeit, für unsere Meinungen und unsere Überzeugungen du demonstrieren. Das mag von manchen extremen oder verfassungsfeindlichen Gruppen ausgenutzt werden. Aber trotzdem sollten wir uns bewusst machen, das wir Rechte haben. Rechte, unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen.
 
Wir haben Wahlen, die Menschen für unnötig halten, da eine Stimme mehr oder weniger ja nichts ausmache.
Das eine Stimme mehr oder weniger aber zwischen dem Recht zu wählen oder nicht liegen kann, das kommt sicherlich manchmal zu kurz.
Und wenn wir eine Stimme abgeben, dann können wir auch davon ausgehen, dass diese genau so gezählt wird. Wieder ein Aspekt, den unser Begleiter für seine Stimme nicht zweifelsfrei behaupten konnte.
 
Ach und nicht zu vergessen, seine Verwunderung über die Regierungsbildung in Deutschland.
Als wir ihm auf seine Frage, wer der nächste Kanzler wird, keine sichere Antwort geben konnten, war er erstmal überrascht. Und als wir ihm dann noch erklärten, dass es wahrscheinlich keinen klaren Sieger geben würde, war er komplett verwirrt. Daraufhin fragte er uns, ob dann solange gewählt wird, bis eine Partei die absolute Mehrheit bekommt.
Galicica Nationalpark mit Blick auf den Ohridsee
Aussicht Galicica Nationalpark am Ohridsee
Es war definitiv ein sehr spannendes Gespräch. Vor allem war es ein Gespräch, von dem wir morgens noch nicht wussten, dass wir es nachmittags führen werden. Genau für solche Momente auf Reisen sind wir dankbar.

Schreibe einen Kommentar

drei + acht =